Obernachtwächter

Hört ihr Leute lasst euch sagen

... die Glock am Turm hat zwölf geschlagen.

Diesen Satz des Liedes kennt ja nun jeder Schwelmer, wenn man vom bekannten Nachtwächter spricht. Seine Aufgabe war es damals dafür zu sorgen, dass den Schwelmern kein Unheil geschieht, indem beispielsweise ein Feuer ausbricht.

Heute ist der Nachtwächter die Symbolfigur des Schwelmer Heimatfestes. Er wird 14 Tage vor Beginn des Heimatfestes beim historischen Stadtrundgang vereidigt und führt den über die Stadtgrenzen hinaus beliebten Festzug am ersten Sonntag im September an.

Ausgestattet mit langem, dunkelblauen Mantel, Nachtwächtermütze, Hellebarde, Laterne und einem funktionstüchtigen Horn lenkt er die Blicke auf sich, wenn er auch auf der Heimatfestkirmes oder in der voll besetzten Altstadt seine "Patrouille" läuft.

Die Ehre den Nachtwächter darzustellen, ist der siegreichen Nachbarschaft aus dem Vorjahr gegönnt. Denn wer beim Heimatfestzug den Gesamtsieg für sich verbuchen kann, stellt im kommenden Jahr den Obernachtwächter.

 

Besinnliche Worte des Obernachtwächters "Spießhelm Stoßinshorn Latöchterich"

Im Jahr 1960 richtet der Obernachtwächter folgende Worte an sein Schwelmer Volk. Aktueller denn je in der heutigen Zeit. 

"Kraft eigener Machtbefugnis stehe ich für vier Tage an der Spitze der Stadt, ich der wohlbestallte und ausreichend betitelte Oberhauptwachtmeister Schwelms, genannt Spießhelm Stoßinshorn Latöchterich.
Zum Heimatfest habe ich den Schirm meiner Mütze tief ins Gesicht gezogen und ein Auge zugedrückt!
Liebe Eltern drückt auch ihr ein Auge zu wenn die Jungen diese vier frohen Tage wahrnehmen! Kirmes auf dem Neumarkt ist nur einmal im Jahr. Und wer bietet uns Gewähr dafür, daß sie jedes Jahr dort aufgebaut wird!?


Als einer der wenigen überlebenden aus der Gründerzeit des Heimatfestes muss ich an 1939 zurückdenken. Auch damals planten wir schon tüchtig für den Festzug und die Schwelmer Nachtwächterkirmes. Sie fand noch mitten im September (später als heute) statt. Aber statt meiner Nachtblauen Uniform wurde die Feldgraue modern. Grad der Monat auf den wir uns schon gefreut hatten, brachte uns das Ende vieler Festfreuden. Es begann der Krieg!

Genau zehn Jahre mussten wir warten bis wir 1949 mühselig wieder da anknüpfen konnten, wo wir 1939 aufgehört hatten.
Wieviel unserer guten Freunde und wieviel unserer Jugendhoffnungen hatten wir inzwischen zu Grabe getragen!
Während des Krieges beerdigten sie still den Mann, der Gründer Nr.1 unseres Heimatfestes war: Präsident Walter Schmitz. Kein großer Nachruf wurde ihm damals zuteil! Was wollte es schon besagen, viermal die Kirmes auf den Neumarkt gestellt zu haben! Was wollte es da besagen vielen Menschen Freude und Frohsinn bereitet zu haben! Heroische und kriegerische Zeiten halten wenig vom Freude bereiten!
Lieber Walter, ich konnte nicht hinter deinem Sarg schreiten, tief in Russland stak ich, trug eine andere Uniform -- und Freund Hein war uns wohlvertraut. Wenn wir dann in unseren Löchern hockten und an die Vaterstadt dachten, wurde uns zugleich wohl und weh ums Herz!
Einmal noch die Schwelmer Türme sehen, einmal noch das Schwelmer Volksfest unbeschwert mitfeiern können! Da wussten wir erst recht was Heimat ist, jenes Wort das so oft in dieser Zeit Missbraucht und missdeutet wurde!

Seit nicht böse das ich zu dieser frohen Stunde auch daran erinnere! Echte Freude gedeiht nur dort, wo auch die Besinnlichkeit mitwirkt. Freut euch doppelt des Lebens vor dem Hintergrund düsterer Vergangenheit dann hebt sich heile Gegenwart umso leuchtkräftiger ab!
Nach dem Kriege kamen wir auf die Idee, früher zu feiern. Diese Wetterspekulation erwies sich als glücklich.
Die Nachbarschaften haben gelernt auch widrigen Winden zum Trotz ihre Wagen aufzubauen. Mag in die Vorbereitungszeit auch Regen fallen, Hauptsache am Sonntag bewährt sich Petrus als Meister guter Beleuchtung!

Ich für meine Person brauche mich vor einer Schauer ja nicht zu fürchten. Mütze, Mantel und Stiefel halten manchen Tropfen ab. Was dennoch durchdringt, trifft auf ein dickes Fell!
Die Truhe daheim hat meine alte Uniform gut und dicht verwahrt. Sie ließ keine Motte durch, kein Löchlein war zu stopfen, kein Staub auszubürsten! Staub aufwirbeln das überlass ich anderen Prominenten aus der Stadt, Kreis, Land, Bund, Erdteil und Welt.

Mögen sie, die eitlen Toren, die Machthungrigen und Tänzer um das goldene Kalb auch groß ins Horn stoßen. Ich "tröte" nur, wenn wirklich Not am Mann ist. Im braven Schwelm ist das nicht oft!
Während der vier frohen Tage gehört der Stadtschlüssel ja in die Hand des Schwelmer Obernachtwächters!
Ein alter Schwelmer Nachtwächter vom rechten Schrot und Doppelkorn versteht, mit solch einem Schlüssel die Herzen aufzuschließen und die Stadttore für die Besucher der Stadt.
Öffnet sie weit!

Euer Oberhaupt-Nachtwächter

Spießhelm Stoßinshorn Latöchterich"